Daten & Fakten

Daten & Fakten zur Biotech-Branche im Überblick

Wie steht es um die deutsche Biotechnologie-Branche? Wie entwickeln sich die wichtigsten wirtschaftlichen Kennzahlen wie Umsatz, F&E-Investitionen, Mitarbeiter oder Finanzierung? Wie sieht es mit der Gründungsdynamik und den inhaltlichen Tätigkeitsschwerpunkten der Branche aus? Diese Rubrik liefert einen umfassenden Einblick in zentrale Daten und Fakten zu börsennotierten und privaten Biotech-Unternehmen in Deutschland. 


1. Kennzahlen der deutschen Biotech-Branche – Einführung

Ob Umsatz, Mitarbeiterzahlen oder Investitionen in Forschung und Entwicklung – in der deutschen Biotech-Branche standen die Zeichen auch im Jahr 2021 auf Wachstum. Nach jahrelangem Schattendasein rückte die Biotechnologie-Branche mit dem Beginn der Pandemie ins Licht der Öffentlichkeit. Nicht nur die wirtschaftlichen Kennzahlen, auch die Wahrnehmung und vor allem die Wertschätzung der Branche sind deutlich gestiegen.

Zu einem großen Teil ist diese positive Entwicklung dem Mainzer Unternehmen BioNTech zu verdanken. Lässt man die Kennzahlen der Mainzer unberücksichtigt, flacht die Wachstumskurve zwar deutlich ab, zeigt aber nach wie vor unverkennbar nach oben. Das zeigen die Ergebnisse der Biotech-Firmenerhebung 2022 der BIOCOM AG, die im Frühjahr die Kennzahlen des Jahres 2021 erhoben hat. Seit mehr als 35 Jahren begleitet BIOCOM die Entwicklung der Biotechnologie-Branche in Europa. Bereits seit 2005 werden jährlich die wichtigsten Kennzahlen der deutschen Biotechnologie-Unternehmen erhoben und nach den Kriterien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) analysiert. Lediglich 2020 wurde die Datenerhebung aufgrund von COVID-19 ausgesetzt. Die im Folgenden genannten Zahlen und Grafiken beziehen sich auf solche Firmen, die von der OECD als „dedizierte“ Biotech-Unternehmen definiert werden (mehr Informationen zur Methodik siehe Reiter 10).

Zwar hat die Pandemie vor allem Unternehmen aus dem Bereich der medizinischen Biotechnologie ins Rampenlicht gerückt – unfassbar schnell konnte BioNTech ihren mRNA-Impfstoff zur vorläufigen Zulassung zu bringen und nahm damit der Pandemie den größten Schrecken. Mit ähnlicher Geschwindigkeit wurden notwendige Produktionskapazitäten aufgebaut und diagnostische Tests entwickelt.

Aber auch Tätigkeitsfelder außerhalb des Gesundheitssektors zeigen das enorme Potential biotechnologischer Innovationen. Beispielsweise wenn es um alternative Proteine als maßgebliche Ergänzung der Nahrungsversorgung einer stetig wachsenden Weltbevölkerung geht. Start-ups entwickeln Alternativen für Fisch und andere Meerestiere aus pflanzlichen und kultivierten Proteinen oder arbeiten an Fleischprodukten aus zellulärer Landwirtschaft (Cellular Agriculture/CellAg) – nach aktuellen Prognosen werden pflanzliche Alternativen bis 2030 rund ein Drittel der Fleischprodukte ersetzen. Im Bereich nachhaltiger Verpackungen und Materialien bieten biotechnologische Anwendungen ebenso innovative und klimafreundliche Lösungen wie im Bereich nachhaltiger Textilien oder bei Waste-to-Value-Ansätzen in einer Circular Economy.


2. Umsatzentwicklung in der deutschen Biotech-Branche

Verglichen mit 2020 ist der Umsatz der 753 dedizierten Biotech-Unternehmen im Jahr 2021 geradezu explodiert und hat die unglaubliche Summe von 26,5 Mrd. € erreicht – die enorme Wachstumsrate von nahezu 400% ist zwar in erster Linie dem Impfstoffabsatz der BioNTech zuzuschreiben. Aber auch, wenn man die Umsätze der Mainzer herausrechnet, ergibt sich eine beachtliche Summe von 7,5 Mrd. €. Das entspricht einem Wachstum von mehr als 20% gegenüber 2020 (6,2 Mrd. € ohne BioNTech-Umsatz) – ein Anstieg, der in den Jahren vor der Pandemie unerreicht blieb. Das zeigt, dass viele deutsche Biotech-Unternehmen inzwischen einen hohen Reifegrad erreicht haben, der sich entsprechend niederschlägt.

Wie bereits 2020 ist das immense Wachstum insbesondere auf die mit Impfstoffen sowie Diagnostika erzielten Umsätze zurückzuführen. Allein der Gesundheitssektor konnte 24,2 Mrd. € umsetzen. Ohne Berücksichtigung der Umsätze von BioNTech kamen immerhin 5,2 Mrd. € zusammen (+18%; 2020: 4,4 Mrd. € ohne BioNTech). Aber auch nicht-spezifische biotechnologische Dienstleistungen (1,85 Mrd. €; +32%) sowie Unternehmen mit dem Schwerpunkt auf industrieller Biotechnologie (399 Mio. €, 11%) verzeichneten ein deutliches Umsatzplus.

3. Tätigkeitsfelder der Biotechnologie-Firmen

Bis Ende 2021 wurden insgesamt 753 deutsche Biotech-Unternehmen gezählt (2020: 736). Die Hälfte (52%) konzentriert ihre Aktivitäten auf den Gesundheitsbereich, indem sie entweder neue Therapeutika, Diagnostika oder Impfstoffe entwickelt oder an dafür relevanten Technologieplattformen arbeitet. Etwa ein Drittel (30%) der Unternehmen erbringt biotechnologische Dienstleistungen und etwas mehr als 10% beschäftigen sich mit der industriellen Biotechnologie. Nur ein kleiner Teil (2%) der deutschen Biotech-Unternehmen ist in der Agrarbiotechnologie tätig und 5% fokussieren sich auf die Bioinformatik.


4. Fokus auf medizinische Biotechnologie

Die Mehrheit der Biotech-Unternehmen (390 Unternehmen; 52%) beschäftigen sich mit medizinischen Themen und gehören damit zur „roten“ Biotechnologie. Sie konzentrieren sich auf die Entwicklung von Medikamenten, Impfstoffen oder neuen Diagnostika. In den vergangenen beiden Jahren haben diese Unternehmen gezeigt, dass sie in der Lage sind, effiziente Lösungen für die Bekämpfung einer weltweiten Pandemie zu liefern. Impfstoffe und Diagnostika wurden in einer Geschwindigkeit bereitgestellt, die es im Biotechnologiesektor bisher nicht gab.

Therapeutika-Entwickler brauchen einen langen Atem

Die Medikamentenentwicklung ist langwierig und teuer, und damit für kleine bis mittelständische Biotech-Unternehmen schwer zu stemmen. In Pandemiezeiten allerdings verlief auch sie mit deutlich höherem Tempo als üblich. Bereits nach weniger als zwei Jahren erhielten erste neu entwickelte Medikamente ihre Zulassung – möglich war dies unter anderem, weil Unternehmen die Entwicklung von COVID-19-Medikamenten priorisierten, sowohl Anleger als auch die öffentliche Hand in die Forschung investierten und die Länder die Studiengenehmigungsverfahren zügig bearbeiteten.

Pipeline

Auch in den Pipelines einiger deutscher Medikamentenentwickler befinden sich Wirkstoffkandidaten gegen COVID-19. Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Indikationen, in denen neue Therapeutika entwickelt werden. Insgesamt 68 Biotechnologie-Unternehmen hatten im Jahr 2021 einen oder mehrere Kandidaten in der klinischen Entwicklung. In der Summe waren 119 biologisch aktive Substanzen in einer der klinischen Phasen. Die Anzahl der zugelassenen Impfstoffe und Therapeutika indes blieb nach vier Zulassungen im Jahr 2020 unverändert bei 18.

Technologieplattformen und Präklinik

Die überwiegende Mehrheit der Unternehmen (214) im Gesundheitsbereich hat entweder Wirkstoffkandidaten, die sich noch in der präklinischen Phase der Arzneimittelentwicklung befinden, oder entwickelt Technologieplattformen, die in unterschiedlichen Anwendungen innerhalb der medizinischen Biotechnologie einsetzbar sind.

Bedeutung der Diagnostik

Die beiden vergangenen Jahre haben gezeigt, dass Schnelligkeit auch in der Diagnostik ein wesentlicher Faktor für eine erfolgreiche Bekämpfung von Krankheiten ist. Erst wenn spezifische Reagenzien und Methoden beispielswiese für etablierte PCR-basierte Verfahren schnell entwickelt werden, besteht die Möglichkeit, neue In-vitro-Diagnostika zu entwickeln und zuzulassen. Die Pandemie brachte diesen Bereich der Diagnostik entscheidend nach vorne.

Sie hat außerdem gezeigt, dass es nicht ausreicht, sich auf therapeutische Strategien zu konzentrieren. Experten prognostizieren, dass die stratifizierte und individualisierte Medizin dieses Segment in Zukunft weiter in den Vordergrund rücken wird. Für viele Krankheiten wird es nicht nur wichtig sein, eine gezielte Therapie zu finden, sondern auch eine schnelle und nicht-invasive Diagnosemöglichkeit zu bieten. In Kombinationen mit digitalen Lösungen können so neue Formen der Präzisionsmedizin zur Anwendung kommen. Darüber hinaus können Vorhersagen über die Wirkung eines Medikaments („Companion Diagnostics“) Nebenwirkungen deutlich reduzieren und Fehlbehandlungen vermeiden.

Im Jahr 2021 konnten die 108 Diagnostik-Unternehmen ihren Umsatz noch einmal – wenn auch nicht mehr ganz so deutlich wie 2020 – signifikant steigern, und zwar um 21% von 2,8 Mrd. € im Jahr 2020 auf 3,4 Mrd. €. Auch die Ausgaben für Forschung und Entwicklung stiegen, und zwar um 15% auf 334 Mio. € (2020: 291 Mio. €).

5. Dienstleistungen und industrielle Biotechnologie als Wachstumsmotor

Mit 227 Unternehmen bildet der Bereich der nicht-spezifischen biotechnologischen Dienstleistungen die zweitgrößte Säule der deutschen Biotech-Branche. In diesem Segment finden sich alle Unternehmen, die Geräte und Reagenzien oder Dienstleistungen anbieten, die überwiegend auf biotechnologischen Grundlagen basieren. Dazu gehören auch Auftragsforscher und Biomanufacturing-Experten. Im Jahr 2021 konnten diese Unternehmen das starke Umsatzwachstum des Jahres 2020 fortsetzen. Fast zwei Milliarden Euro Umsatz (1,85 Mrd. €) wurden in diesem Segment erzielt, was einer Steigerung von 32% gegenüber 2020 (1,41 Mrd. €) entspricht. Auch die F&E-Ausgaben (184,1 Mio. €) sind gegenüber 2020 um fast ein Viertel (22%) gestiegen, und knapp ein Drittel (32,6%) aller Beschäftigten in der Biotech-Branche arbeiteten in diesem Segment. Die Mitarbeiterzahl konnte noch einmal um fast 17% zulegen und ist 2021 auf 9.890 Beschäftigte angestiegen (2020: 8.480 Beschäftigte). Dieses Segment zeigt ein kontinuierliches Wachstum innerhalb der deutschen Biotech-Branche und erwies sich als eine der tragenden Säulen für die rasche Aufnahme der Impfstoffproduktion und damit zur effizienten Bekämpfung der Pandemie.

Potential industrieller Biotechnologie

Industrielle Anwendungen für verschiedene Branchen entwickeln 77 Biotechnologie-Unternehmen (2020: 74 Unternehmen) in Deutschland. Ihre Zahl wächst nur langsam, dennoch ist die Bedeutung der industriellen Biotechnologie deutlich höher als es die Zahl der Unternehmen vermuten lässt. Die Entwicklungen in der industriellen Biotechnologie in Deutschland gehen einher mit der stetig wachsenden Nachfrage nach alternativen Lösungen etwa im Nahrungsmittelbereich, beispielsweise durch Fermentation alternativer Proteine oder auch im Bereich nachhaltiger Materialien für die Industrie oder im Textilsektor. Obwohl die Zahl der Unternehmen nur leicht gestiegen ist, verzeichneten sie ein deutliches Umsatzplus (399 Mio. €, +11%). Auch die Zahl der Beschäftigten stieg um fast 14% auf 2.150 (2020: 1.890 Mitarbeiter). Newcomer in diesem Bereich sind vor allem Unternehmen, die in der sogenannten zellulären Landwirtschaft tätig sind. Sie züchten tierische Produkte direkt aus Zellen oder mithilfe von Mikroorganismen und setzen zudem stark auf die Möglichkeiten der Präzisionsfermentation. Fisch, Fleisch oder Molkereiprodukte können damit künftig im Labor hergestellt werden, statt Nutztiere aufzuziehen und zu schlachten.

Agrobiotechnologie stabil auf niedrigem Niveau

Die Anwendung der Biotechnologie in der Pflanzenzüchtung und in der Landwirtschaft ist im Laufe der Jahre aufgrund strenger Regularien und der allgemeinen Skepsis insbesondere gegenüber der grünen Gentechnik zurückgegangen. Seit 2015 hat sie sich auf niedrigem Niveau stabilisiert. Zwar verringert sich die Anzahl der Unternehmen langsam, aber kontinuierlich – 2021 waren noch 17 Unternehmen in diesem Segment aktiv (2020: 19 Unternehmen). Die Zahl der Beschäftigten variiert hingegen nur gering, sie sank im Jahr 2021 um knapp 5% auf 400 Mitarbeiter (2020: 420 Beschäftigte). Umsatz und F&E-Ausgaben hingegen blieben stabil (Umsatz: 39, 1 Mio. €, +1,8%; F&E: 16,3 Mio. €, -0,6%).

Bioinformatik gewinnt an Bedeutung

Eine stetig wachsende Zahl an Unternehmen (2021: 42 Unternehmen) beschäftigt sich vorrangig mit Bioinformatik. Moderne Hochdurchsatzverfahren erfordern die systematische Erfassung und Analyse immer größerer medizinisch relevanter Datenmengen. Die Informationswissenschaften liefern den Hebel, um das Potenzial dieser Daten für prognostische, diagnostische und therapeutische Anwendungen zu nutzen. Aber auch in anderen Bereichen, etwa bei der Phänotypisierung oder der Präzisionszüchtung, erfordern neueste Verfahren eine immer umfassendere Auswertung von Daten – in den vergangenen fünf Jahren ist die Zahl der Unternehmen, die sich auf bioinformatische Anwendungen spezialisiert haben, um mehr als ein Viertel (27%) gestiegen (2016: 33 Unternehmen).

6. Ausgaben für Forschung & Entwicklung

Auch im Jahr 2021 haben die Erfolge bei der Entwicklung neuer Impfstoffe und Diagnostika zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) maßgeblich beeinflusst. Nachdem 2020 zum ersten Mal die Zwei-Milliarden-Marke überschritten wurde, griffen die Forschungsausgaben im Jahr 2021 bereits nach der Drei-Milliarden-Marke – 2,83 Mrd. € wurden in F&E investiert, ein Anstieg um 32,4% gegenüber 2020.

Knapp eine Milliarde investierte die BioNTech 2021 in F&E. Aber auch hier gilt: Rechnet man die Forschungsaufwendungen der Mainzer heraus, ist noch immer ein sehr deutlicher Zuwachs von 26% gegenüber 2020 zu verzeichnen. 1,88 Mrd. € stünden dann 1,49 Mrd. gegenüber.

Die F&E-Aufwendungen der „roten“ Biotechnologie-Unternehmen machten fast 90% der gesamten Forschungsausgaben der Branche aus; innerhalb des Sektors stiegen sie um knapp 35% von 1,9 Mrd. € in 2020 auf 2,5 Mrd. € – immer noch 28% würde der Zuwachs betragen, bliebe BioNTech unberücksichtigt (2021: 1,59 Mrd, €; 2020:  1,24 Mrd. € in 2020, jeweils ohne BioNTech). Dies zeigt die hohe Bedeutung der Impfstoff-, Wirkstoff- und Diagnostikentwicklung nicht nur für COVID-19-bezogene Indikationen. Therapeutika-Entwickler investierten 2 Mrd. € in Forschung und Entwicklung (1,1 Mrd. ohne Berücksichtigung von BioNTech). Diagnostika-Entwickler haben 2020 insgesamt 334 Mio. € ausgegeben und liegen damit um 14% über dem Wert von 2020 (291 Mio. €).

Doch auch die biotechnologischen Dienstleister beziehungsweise die Unternehmen aus dem Bereich Bioinformatik legten bei ihren F&E-Ausgaben kräftig zu (22% bzw. 16%). Im Bereich der industriellen Biotechnologie stiegen die Forschungsausgaben nur gering auf 71,6 Mio. €, der Zuwachs lag bei 4,2% (2020: 68,7 Mio. €), während sie bei den Agrobiotech-Unternehmen stagnierten.

7. Gründungsdynamik

Im zweiten Jahr der Pandemie hat sich die Gründungsdynamik in der Branche scheinbar ein wenig verlangsamt, blieb jedoch ungebrochen. Nach Ablauf des ersten Quartals 2022 waren 21 Neugründungen für das Jahr 2021 bekannt. Im vergangenen Jahr konnten zum gleichen Zeitpunkt bereits 25 Start-ups gezählt werden. Da viele Gründungen erfahrungsgemäß über den Jahresverlauf noch rückwirkend für das Vorjahr bekannt werden, ist von einer höheren tatsächlichen Gründungszahl auszugehen. Noch bleibt also abzuwarten, ob die hohen Zahlen der Vorjahre erneut erreicht werden.

Wie bereits in den vergangenen Jahren dominierten bei den Gründungen erneut Start-ups aus dem medizinischen Bereich (16), drei Unternehmen befassen sich mit der industriellen Biotechnologie, eines kommt aus dem Bereich der Bioinformatik und eines widmet sich nicht-spezifischen biotechnologischen Dienstleistungen.

8. Finanzierungsquellen im Überblick

Die hohe Investitionsbereitschaft war auch im zweiten Jahr der Pandemie ungebrochen. Der Erfolg von BioNTech hat der Biotechnologiebranche die lang verwehrte Aufmerksamkeit verschafft. Somit konnte im Jahr 2021 das außergewöhnlich hohe Finanzierungsvolumen des Vorjahres erneut erreicht werden. Das Geld floss nicht mehr hauptsächlich in die Impfstoffentwicklung und es gab weniger dreistellige Millionenrunden zu vermelden, dafür konnten deutlich mehr Unternehmen vom Geldsegen profitieren. Die Fonds der VC-Gesellschaften waren gut gefüllt und auch an der Börse wurde bereitwillig investiert.

Insgesamt 2,16 Mrd. € konnten die deutschen Biotech-Unternehmen einwerben – nur rund
50 Mio. € (2%) weniger als im Vorjahr. Insgesamt 1,34 Mrd. € gingen an die börsennotierten Unternehmen. Die privaten Firmen sammelten 825 Mio. € bei Investoren ein.

Top-Finanzierungen über die Börse

Eine Kapitalerhöhung der CureVac im Februar 2021 spülte 431,5 Mio.€ in die Kassen und das Zweitlisting der Hamburger Evotec an der US-amerikanischen Technologiebörse Nasdaq im November 2021 trug weitere 376 Mio. € zum Gesamtvolumen der börsennotierten Firmen bei. Affimed, mit Sitz in Heidelberg, konnte 2021 95 Mio. € über die Börse einnehmen. Das Unternehmen entwickelt innovative therapeutische Antikörper in der Immunonkologie. Durch die Reaktivierung der körpereigenen Abwehrmechanismen sollen Krebszellen bekämpft werden. Zwei Medikamentenkandidaten werden in einer Reihe von Studien, die auf verschiedene Krebsarten abzielen, getestet. Mit einer Kapitalerhöhung in Höhe von 85 Mio. € schloss MorphoSys im Juli 2021 die Übernahme des US-Unternehmens Constellation Pharmaceuticals ab. Zeichner der Kapitalerhöhung war das US-Finanzunternehmen Royalty Pharma.

Top-Finanzierungen der privaten Biotech-Unternehmen

Im Sommer 2021 zeigte sich der US-Investor Blackstone Life Sciences an einem Einstieg in die Dresdner GEMoab interessiert, die eine an- und abschaltbare universelle Plattform zur Verbesserung des therapeutischen Fensters von CAR-T-Zell-Therapien entwickelt. Blackstone wollte die Forschung allerdings in Richtung allogene Therapien ausbauen und holte den Genschere-Spezialisten Intellia an Bord. Mit der CRISPR-Cas-Technologie von Intellia sollen die Spenderzellen künftig so verändert werden, dass sie für möglichst viele Empfänger passen. 210 Mio. € investierte Blackstone in die Gründung des neuen Unternehmens AvenCell, Sitz in Cambridge Massachusetts, geforscht wird weiterhin in Dresden.

Bereits 2020 sorgte die Berliner T-knife – auch sie ist im Bereich der T-Zell-Therapien aktiv – mit einer Serie A-Finanzierung in Höhe von 66 Mio. € für Aufsehen. Ziemlich genau ein Jahr später, im August 2021, wurden noch einmal 93 Mio. € nachgelegt.

Die erst 2019 gegründete Emergence Therapeutics legte zum Jahresende mit 87 Mio. € die zweithöchste Serie-A-Runde der deutschen Biotech-Branche hin. Das Duisburger Unternehmen entwickelt neuartige Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADC) gegen Krebserkrankungen, die derzeit kaum oder nur unzureichend behandelt werden können.

9. Biotech-Branche als Arbeitgeber


Die Zahl der Beschäftigten in dedizierten Biotech-Unternehmen ist im Jahr 2021 um 11,3% auf 30.280 gestiegen. Den höchsten Anstieg, knapp 17% (9.890 Mitarbeiter), gab es bei den Unternehmen aus dem Bereich nicht-spezifischer Dienstleistungen. Fast 14% konnten die Unternehmen der industriellen Biotechnologie zulegen. Ihre Mitarbeiterzahl stieg von 1.890 im Jahr 2020 auf 2.150. Im Bereich Bioinformatik wurde 10% mehr Personal beschäftigt (540), gefolgt von knapp 9% im Gesundheitsbereich (17.300). Lediglich im Bereich Agrobiotechnologie wurden weniger Menschen beschäftigt als 2020, die Mitarbeiterzahl sank um knapp 5% auf 400.

10. Methodik und Hintergrund

Die hier genutzten Daten und Fakten entstammen der von der BIOCOM AG jährlich durchgeführten Biotechnologie-Firmenerhebung. Diese basiert auf den Vorgaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OCED). Im Dezember 2004 hat die OECD die Vielzahl der existierenden Definitionen für die Biotechnologie harmonisiert. Seitdem sind alle OECD-Länder aufgerufen, bei Erhebungen zur Biotechnologie dem sogenannten „Framework for Biotechnology Statistics“ zu folgen (www.oecd.org). Die OECD unterscheidet innerhalb der Biotech-Branche zwei verschiedene Kategorien von Unternehmen: „dedizierte Biotechnologie-Unternehmen“ auf der einen Seite und „sonstige biotechnologisch aktive Unternehmen“ auf der anderen Seite. Erstere sind laut der OECD-Definition biotechnologisch aktive Unternehmen, deren wesentliche Unternehmensziele die Anwendung biotechnologischer Verfahren zur Herstellung von Produkten oder der Bereitstellung von Dienstleistungen oder der Durchführung biotechnologischer Forschung und Entwicklung sind. Im Gegensatz zu dieser Art von dedizierten Biotech-Unternehmen liegt das wesentliche Unternehmensziel eines „sonstigen biotechnologisch aktiven Unternehmens“ nicht ausschließlich in der Anwendung biotechnologischer Verfahren. Die OECD beschreibt damit Unternehmen, bei denen die Biotechnologie nur einen Teil des Geschäfts- und Tätigkeitsfeldes ausmacht, wie beispielsweise bei Pharma- und Chemieunternehmen oder Saatgutherstellern.

Für die Zwecke der Biotech-Statistik hat BIOCOM einen Fragebogen erarbeitet, der auf den zuvor erläuterten OECD-Definitionen beruht. Zwischen Januar und März 2022 wurden insgesamt 815 Unternehmen angeschrieben. Die Auswahl der für die Erhebung angeschriebenen Unternehmen erfolgte unter Berücksichtigung der OECD-Definition in Abgleich mit der Unternehmensdatenbank der BIOCOM AG. 562 der befragten Unternehmen antworteten entweder per Fragebogen oder nach telefonischer Rückfrage. Die Rücklauf- beziehungsweise Verifizierungsquote beträgt damit 69%.

Entsprechend den OECD-Richtlinien wurde bei der Auswahl der Firmen darauf geachtet, alle Unternehmen zu erfassen, die sich in Deutschland mit Biotechnologie beschäftigen und hierzulande ansässig sind. Deshalb wurden auch solche Firmen berücksichtigt, die sich im Mehrheitsbesitz eines nicht-deutschen Mutterkonzerns befinden, aber in Deutschland F&E-Aktivitäten haben. Bei der Erfassung der Arbeitsplätze, Geschäftszahlen und Geschäftsfelder wurde die Befragung nur für die deutschen Standorte eines Unternehmens durchgeführt. Hat ein Unternehmen mehr als einen Standort in Deutschland, wird es nur einmal mit entsprechend kumulierten Werten berücksichtigt.