Hessen
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Die Biotechnologie leistet in Hessen einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der stark vertretenen Pharma- und Chemieindustrie. Über knapp ein Drittel der biotechnologischen Produktionskapazitäten des gesamten Bundesgebietes sind in Hessen zu finden. Mit über 16.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von über 12 Mrd. € belegt Hessen einen Spitzenplatz in Deutschland.
Einzigartig für die hessische Biotechnologiebranche ist, dass sie die gesamte Wertschöpfungskette abdeckt – von der Forschung über die Produktion bis hin zum Vertrieb. Die meisten hessischen Unternehmen der Branche sind der roten Biotechnologie zuzuordnen. Sie konzentrieren sich auf neue Therapien und Wirkstoffe, auf Diagnoseverfahren und Tissue Engineering. Darüber hinaus widmen sich mehr und mehr Unternehmen auch der industriellen Biotechnologie. Im Mittelpunkt stehen dabei die Herstellung von Designerzellen oder Enzymen für die unterschiedlichsten Branchen – von der Chemie über Textilien bis hin zum Papier
- Zentrale Cluster- und Netzwerk-Akteure: Technologieland Hessen, Hessen-Biotech, DECHEMA Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e. V., DIB Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie, ERRMA European Renewable Resources and Materials Association, GBM Gesellschaft für Biochemie und Molekularbiologie e. V., HERO Kompetenzzentrum Hessen Rohstoffe e. V., der IKW Industrieverband Körperpflege und Waschmittel e. V., IVGT Industrieverband Veredlung – Garne – Gewebe – Technische Textilien e. V., Plastics Europe Deutschland, Rhein-Main-Cluster Chemie & Pharma, VAAM Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie e. V., VBU Vereinigung Deutscher Biotechnologie-Unternehmen, VCI Verband der Chemischen Industrie, VHI Verband der Deutschen Holzwerkstoffindustrie e. V.
- Wirtschaft: 225 Biotech-Unternehmen
Wirtschaft
Hessen bietet für Unternehmen der Biotechnologie einen optimalen Standort: Mit der Ansiedlung zahlreicher Forschungsinstitute, Universitäten und privaten Bildungsträgern bietet sich den 225 hessischen Biotech-Unternehmen ein optimales Umfeld für die Entwicklung neuer Technologien und Produkte. Der Biotechnologiestandort Hessen ist nicht nur durch innovative KMU, sondern auch durch etablierte große und mittelständische Pharma- und Chemieunternehmen geprägt, die biotechnologische Forschung und Entwicklung betreiben, aber auch in großem Maßstab produzieren. Zu den führenden Unternehmen im Bundesland zählen Sanofi-Aventis, Novartis, B. Braun Melsungen, Heraeus, Stada, Fresenius, CSL Behring, Merck, Biotest, BRAIN, AbbVie.
Die Merck KGaA gehört dabei zu den traditionsreichsten Unternehmen, die in der roten Biotechnologie tätig sind. 1668 in Darmstadt gegründet, ist es das weltweit älteste Pharmaunternehmen. Damals wie heute setzt Merck auf Produkte aus biobasierten Rohstoffen. Merck ist vor allem auf den Gebieten der Immun- und Krebstherapien führend. Zudem ist es einer der globalen Vorreiter in der Entwicklung der CRISPR-Cas-Technologie, um Fortschritte in der Gentherapie zu erzielen.
Das erste Biotechnologie-Start-up Hessens wurde in Marburg gegründet. Emil von Behring, Erfinder des Diphtherie-Impfstoffs, erhielt 1901 den Nobelpreis für Medizin und gründete wenige Jahre später die Behringwerke AG in Marburg. Seither haben sich am Standort Marburg zahlreiche Unternehmen aus den Bereichen Pharmazie, Biotechnologie und Gesundheit angesiedelt. Unter anderem die CSL Behring GmbH, die Medikamente für Blutgerinnungsstörungen und andere seltene Krankheiten entwickelt. Vor kurzem hat das Unternehmen hier in eine Anlage zur Fraktionierung von menschlichem Blutplasma investiert – ein wichtiger Rohstoff für die Herstellung dieser Medikamente. In Marburg baut CSL Behring derzeit einen auf Forschung und Entwicklung ausgerichteten Campus.
Das Schweizer Unternehmen Novartis hat hier mit seiner Sparte Impfstoffe und Diagnostika weltweit die erste Herstellungsanlage für einen Grippeimpfstoff aus einer Zellkultur errichtet.
Mittelhessen steht in vorderster Reihe bei Healthcare-Innovationen: Der Impfstoff, den das Mainzer Unternehmen BioNTech unter anderem auch in Marburg produziert, ist einer der wichtigsten Helfer im Kampf gegen Covid-19. In der Pandemiebekämpfung haben sich auch Schnelltests als wertvolles Mittel etabliert. Apollo BioTech aus Frankfurt am Main steigert die Qualität deren Auswertung mit künstlicher Intelligenz. Das Unternehmen hat ein Lesegerät entwickelt, das dem menschlichen Auge vor allem bei schwach positiven Ergebnissen sowie beim Massenscreening an Schulen, Veranstaltungsstätten und vielen weiteren Orten überlegen ist. Die Technologie ist universell einsetzbar und verarbeitet Schnelltests auf SARS-CoV-2 ebenso wie auf HIV, Zikaviren und viele andere Erreger. Ein weiterer starker Player in Frankfurt am Main ist der Konzern Sanofi. Das Unternehmen investiert seit einigen Jahren zusehends in die Entwicklung von Biopharmazeutika und Medikamenten zur Behandlung seltener Erkrankungen. Die Insulinproduktion bei Sanofi im Industriepark Frankfurt-Höchst findet heute in einer der größten und modernsten Biotechnologie-Anlagen weltweit statt. Maßgeblich für die hessische Dynamik im Bereich der roten Biotechnologie sind darüber hinaus auch innovative KMU wie Humatrix, Targos und Zedira.
Im Bereich der weißen Biotechnologie sind eine Reihe von Unternehmen in Hessen tätig. Die Röhm & Haas AG aus Darmstadt stellte die ersten industriellen Enzyme her, die die Lederindustrie revolutionierten und die Grundlage für modern Waschmittel sind. Später kam die biotechnische Herstellung von Insulin hinzu. Das Enzymgeschäft wird heute in Darmstadt von AB Enzymes betrieben, dem bedeutendsten deutschen Enzymhersteller. Die Chemiesparte von Röhm & Haas ging dagegen in der heutigen Evonik AG auf. Ebenfalls zur Evonik AG gehört seit 2006 das frühere Frankfurter Chemieunternehmen Degussa AG, das 1947 die erste Aminosäure aus chemischer Synthese auf den Markt brachte und seit 1992 Aminosäuren biotechnologisch auf Basis von Zucker produziert.
Das Spezialchemiegeschäft der früheren Hoechst AG wird seit 1997 von der Clariant AG weitergeführt, die heute in Frankfurt das erste auf nachwachsenden Rohstoffen basierende Pigment herstellt. Clariant produziert als erster Hersteller biobasierte Höchstleistungspigmente, die Kunststoffe, Farben und Lacke einfärben und auch als Druckfarbe verwendet werden.
In Zwingenberg siedelte sich 1993 die BRAIN AG an, deren Gründungskompetenz es war, Mikroorganismen für industrielle Anwendungen einzusetzen. Das Unternehmen produziert und vermarktet heute ein breites bioökonomisches Produktspektrum und ist 2016 erfolgreich an die Börse gegangen.
Eine Ausgründung der Darmstädter Hochschulen (TU, FH) ist die 1999 gegründete N-Zyme Biotec GmbH, die unter anderem ein umweltschonendes, auf Olivenblatt-Extrakten basierendes Gerbverfahren für hochwertige Leder entwickelt hat, das 2013 von dem Startup wet-green GmbH aufgenommen wurde.
Die grüne Biotechnologie ist dagegen sowohl in Hessen als auch bundesweit nur sporadisch vertreten. Unternehmen wie GenXPro, nadicom und LI-COR Biosciences sind in diesem Bereich tätig.
Das Enterprise Europe Network (EEN) hilft KMU bei der Erschließung des europäischen Marktes. Mit fast 600 Mitgliedsorganisationen aus mehr als 50 europäischen Ländern - darunter Industrie- und Handelskammern, Technologiezentren, Universitäten und Wirtschaftsförderungseinrichtungen - ist das EEN das größte europäische Netzwerk seiner Art. In Zusammenarbeit mit Partnern vor Ort unterstützt das EEN Unternehmen bei der Expansion, dem Technologietransfer, der Finanzierung, der Rechtsberatung und den Informationsdiensten im globalen Kontext.
Technologieland Hessen informiert, berät und vernetzt hessische Unternehmen, die zukunftsweisende Innovationen entwickeln in den Bereich Biotechnologie, Bioökonomie, Medizintechnik, Diagnostik und pharmazeutische Industrie. Umgesetzt wird das Technologieland Hessen von der Hessen Trade & Invest GmbH (HTAI) im Auftrag des Hessischen Wirtschaftsministeriums.
Hessen-Biotech ist die zentrale biotechnologiespezifische Informations-, Kommunikations- und Kooperationsplattform des Hessischen Wirtschaftsministeriums. Katalysator für dieses Projekt ist die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Hessen Trade & Invest GmbH. Hessen-Biotech bündelt Kompetenzen, fördert die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit hessischer Unternehmen und stärkt damit die Position Hessens als Kompetenzzentrum für Biotechnologie.
Weitere Kommunikationsplattformen für die Biotechnologie-Entwicklung in Hessen sind die DECHEMA Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e. V., die DIB Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie, die ERRMA European Renewable Resources and Materials Association, die GBM Gesellschaft für Biochemie und Molekularbiologie e. V., das HERO Kompetenzzentrum Hessen Rohstoffe e. V., der IKW Industrieverband Körperpflege und Waschmittel e. V., der IVGT Industrieverband Veredlung – Garne – Gewebe – Technische Textilien e. V., Plastics Europe Deutschland, das Rhein-Main-Cluster Chemie & Pharma, die VAAM Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie e. V., die VBU Vereinigung Deutscher Biotechnologie-Unternehmen, der VCI Verband der Chemischen Industrie, und der VHI Verband der Deutschen Holzwerkstoffindustrie e. V..
Forschung
Neben den hessischen Hochschulen genießen auch die zahlreichen außeruniversitären Forschungseinrichtungen in Hessen einen hervorragenden Ruf auf dem Weltmarkt. Vier Max-Planck-Institute (MPI) setzen Maßstäbe in der biotechnologischen Grundlagenforschung: das MPI für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim, das MPI für terrestrische Mikrobiologie in Marburg, das MPI für Hirnforschung und das MPI für Biophysik in Frankfurt. Angewandte Forschung in der Roten Biotechnologie betreiben das Georg-Speyer-Haus in Frankfurt und das Paul-Ehrlich-Institut in Langen, das als Bundeseinrichtung an den Zulassungsverfahren für Gentherapien und Impfstoffe beteiligt ist.
Das Land Hessen ist sich der Bedeutung der wissenschaftlichen Fundierung bewusst und fördert herausragende Forschung im Rahmen der Landes-Offensive zur Entwicklung wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Exzellenz (LOEWE). Über die LOEWE-Zentren unterstützt das Land Hessen thematisch fokussierte Forschungsverbünde zwischen Universitäten, Fachhochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen in Hessen. So erforscht beispielsweise das LOEWE-Zentrum für Synthetische Mikrobiologie (Synmikro), das erste Zentrum für Synthetische Mikrobiologie in Deutschland überhaupt, grundlegende Eigenschaften zellulärer Prozesse mit synthetischen und analytischen Forschungsmethoden und entwickelt Verfahren, um Zellen und Zellbestandteile mit neuartigen Funktionen auszustatten. Das LOEWE-Zentrum für Insektenbiotechnologie und Bioressourcen (ZIB) nutzt die Biodiversität der Insekten auf molekularer Ebene, um neue Wirkstoffe für Anwendungen in der Medizin, im nachhaltigen Pflanzenschutz oder in der industriellen Biotechnologie zu entwickeln.
Die Philipps-Universität Marburg hat in der Mikrobiologie europäischen Rang. Sie kooperiert in der Pilzforschung eng mit der Goethe-Universität Frankfurt. Mit der Insekten-Biotechnologie wurde an der Justus-Liebig-Universität Gießen eine einzigartige Forschungsrichtung angestoßen. Die Universität Kassel forscht umweltbezogen in den Agrar-, Ingenieur- und Materialwissenschaften. Im Anlagenbau ist die TU Darmstadt führend.
Die deutschlandweite Gründungsinitiative Science4Life, die vom Land Hessen und dem Pharmakonzern Sanofi finanziell unterstützt wird, hat sich als eine der erfolgreichsten öffentlich-privaten Partnerschaften zur Förderung von Unternehmensgründungen etabliert. Wer am Businessplan-Wettbewerb teilnimmt, erhält eine kostenlose Expertenberatung und kann Geldpreise sowie die Teilnahme an Gründungsworkshops gewinnen. Seit dem Start im Jahr 1998 hat Science4Life zu rund 600 Unternehmensgründungen geführt.
Wer wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis übertragen will, kann sowohl die Beratung der Hochschulen als auch der außeruniversitären Technologietransferstellen in Hessen in Anspruch nehmen. Die Transferstellen identifizieren Trends und Kooperationspartner und unterstützen die gezielte kommerzielle Positionierung am Markt durch Informationen zu Patentierung, Lizenzierung und Ausgründungen.
Mit der Startup Grind-Community Marburg hat die mittelhessische Start-up-Szene einen internationalen Anker gefunden. Startup Grind ist eine der weltweit größten Start-up-Communities. In regelmäßigen Panels werden Fragestellungen rund um die Themen Start-ups, Innovationen und Technologien beleuchtet und der Austausch innerhalb der Community gestärkt.
Industrieparks in Frankfurt, Hanau, Wiesbaden und Marburg
Hessen verfügt über sieben Industrieparks: Im Industriepark Behringwerke Marburg sind 16 Unternehmen angesiedelt, die insgesamt mehr als 5.000 Mitarbeiter beschäftigen. Im Industriepark Kalle-Albert in Wiesbaden sind mehr als 70 Unternehmen mit insgesamt über 5.500 Beschäftigten angesiedelt. Im Industriepark Wolfgang in Hanau sind zwölf Unternehmen auf einer Fläche von 820.000 Quadratmetern angesiedelt. Industrieparks befinden sich zudem auch in den Frankfurter Stadtteilen Fechenheim, Griesheim und Höchst. Der Industriepark Höchst ist mit mehr als 90 Unternehmen und knapp 22.000 Beschäftigten der größte Standort der chemischen und pharmazeutischen Industrie in Hessen. Der Industriepark verknüpft industrielle und öffentliche Abfallströme und speist damit die größte europäische Biogasanlage. Die Anlage liefert sowohl Strom für den Standort als auch Biogas für das öffentliche Erdgas-Netz und versorgt damit rund 4.000 Haushalte. Hier wird vernetzte Stoffstromnutzung wirtschaftlich erfolgreich und zugleich treibhausgasmindernd betrieben.
Technologiezentren in Frankfurt, Gießen, Marburg und Pfungstadt
Technologiezentren, wie das Frankfurter Innovationszentrum für Biotechnologie (FIZ), bieten Unternehmen aus dem Bereich Life Sciences, interdisziplinäre Netzwerke sowie umfassende Beratungsleistungen zur wirtschaftlichen Umsetzung ihrer Geschäftsidee.
Auch das Technologie- und Innovationszentrum Gießen (TIG), das als Sprungbrett für den Erfolg von Existenzgründern gilt, vermietet Labor- und Büroräume. Die Nähe zu den mittelhessischen Hochschulen und die unmittelbare Nachbarschaft zu mehr als 80 innovativen Unternehmen bilden eine optimale Grundlage für Kooperationen.
In Marburg werden junge Biotechnologie-Unternehmen seit 2003 durch das Technologiezentrum für Lebenswissenschaften (NTZ) unterstützt. Das NTZ bietet moderne GMP-, Labor- und Büroräume auf einem insgesamt 2.000 Quadratmeter großen Gelände.
Der Biotech-Park Pfungstadt, der 2013 von der Stadt Pfungstadt und der R-Biopharm AG gegründet wurde, ist ein relativer Newcomer. Der Biotech-Park Pfungstadt bietet mit 4.000 Quadratmetern Büro- und Laborflächen Platz für bis zu 10 Unternehmen und bis zu 100 Mitarbeiter.