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Der Kriminalist bei der Börse
23.01.2020
Der Kriminalist bei der Börse
Seit Januar 2020 leitet Andreas Mitschke die Handelsüberwachungsstelle von Eurex und Kassamarkt, kurz HÜSt. Er ist ein wahres HÜSt-Urgestein – mit kriminalistischer Ader. Knapp 20 Jahre ist er schon dabei und auch nach all dieser Zeit ist es für ihn der spannendste Job, den er sich vorstellen kann: „Die Geschwindigkeit, die Algorithmen, die Regularien: Es kommt immer etwas Neues hinzu“, erklärt er. Doch: von Anfang an.
Andreas Mitschke brauchte während seiner Ausbildung zum Bankkaufmann nicht lange, um festzustellen, dass sein Herz mehr für Wertpapiere als für Kredite schlägt. So ging der gebürtige Hannoveraner in diesem Bereich seinen Weg, beriet vermögende Privatkunden und bildete sich kontinuierlich weiter. Im Jahr 2000 rief die HÜSt.
Aktion statt Reaktion
Seine erste Aufgabe: als Analyst den Handel an der Eurex überwachen. „Wir bekamen auch damals schon elektronische Warnmeldungen durch ein In-house-System, aber wir haben auch auf Beschwerden von Marktteilnehmern reagiert.“ Dass das heute grundlegend anders ist, daran hat auch Andreas Mitschke mitgewirkt. Er spezialisierte sich darauf, die Überwachung technologisch weiterzuentwickeln und war maßgeblich daran beteiligt, die Handelsüberwachung von Xetra und Eurex aufgrund der ähnlichen Marktmodelle zusammenzulegen.
Technisch umgesetzt hat die HÜSt die Veränderung mit dem System Scila. Seit dem Jahr 2012 meldet es Auffälligkeiten im Verhalten der Handelsteilnehmer beider Börsenplätze und ermöglicht tiefgreifende Analysen, indem es z. B. das Handelsgeschehen visualisiert. Zwei bis drei Milliarden Transaktionen rauschen pro Tag durch Scila. „Wir arbeiten heute proaktiver und untersuchen, ob hinter diesen Auffälligkeiten z. B. Manipulation, Insidergeschäfte oder Regelwerksverstöße stecken. Die Zahl der Hinweise von außen ist dadurch zurückgegangen.“
Bei der HÜSt geht nichts ohne Scila.
KI für die „Kripo“
Im Job hat es sich Andreas Mitschke u. a. zum Ziel gesetzt, die Qualität der Überwachung weiter zu verbessern. Dafür will er die Chancen von künstlicher Intelligenz (KI), Machine Learning und Big Data künftig noch intensiver nutzen: „Wenn wir eine Warnmeldung in Scila als valide oder falschen Alarm kategorisieren, lernt schon heute ein KI-Modul daraus. Es zeigt uns bei künftigen Warnungen an, wie wahrscheinlich es ist, dass sie berechtigt ist oder nicht. Ziel ist es, künftig gar keine falschen Meldungen mehr zu bekommen.“ Die vorhandenen Datenmengen will Andreas Mitschke mit Hilfe von KI auch auf Anomalien hin untersuchen. Gibt es bestimmte Muster? Verhält sich ein Händler oder ein Algorithmus auffällig?
KI hin oder her: Beim Blick in die Zukunft sieht der Leiter der HÜStweiterhin Menschen in der HÜSt. „Sobald die Handelsteilnehmer ihr Verhalten leicht ändern, muss die KI in der Lage sein, das zu erkennen. In einer definierten Streubreite gelingt das auch, aber für Abwandlungen ist sie blind.“ Auch die klassische Auswertung von Statistiken möchte er „wiederbeleben“. Der Leitspruch lautet: „Folge dem Geld“. Denn wenn ein Handelsteilnehmer selten Verluste macht, erhöht das die Wahrscheinlichkeit einer manipulativen Vorgehensweise. Das klingt nach Detektivarbeit. „Man braucht schon eine kriminalistische Ader für die Arbeit bei der HÜSt, die Motivation, etwas finden zu wollen. Ich beschreibe uns auch manchmal als die Kripo bei der Börse.“