Börsen-Zeitung: 2021 zählt zu den erfolgreichen Jahren für IPOs
Börsen-Zeitung: 2021 zählt zu den erfolgreichen Jahren für IPOs Peter Fricke, Head of Capital Markets Sales, Deutsche Börse AG
Gutes Momentum und große Vielfalt in Frankfurt – mit weiterem Ausbaupotenzial durch Maßnahmen der neuen Regierung
Mit Bildern der Börsengänge von Vantage Towers, SUSE, Vitesco, Mister Spex und BIKE24 blicken wir zurück auf ein spannendes Initial-Public-Offering(IPO)-Jahr – denn Börsengänge gab es in Deutschland in diesem Jahr bereits einige. Schon jetzt steht fest: 2021 dürfte zu einem der besten IPO-Jahre der vergangenen 20 Jahre werden, in Frankfurt, aber auch weltweit. In Frankfurt wagten sich dieses Jahr bereits 19 Unternehmen (Stand: 28. Oktober 2021) aufs Parkett – mit einem Emissionsvolumen von zusammen rund 10 Mrd. Euro.
Betrachtet man das internationale Parkett, so hat sich im dritten Quartal der positive Trend aus den vorangegangenen beiden Quartalen fortgesetzt, wie das IPO-Barometer des Prüfungs- und Beratungsunternehmens EY zeigt: In den Monaten Juli bis September gingen weltweit 547 Unternehmen an die Börse. Das waren 23 % mehr als im Vorjahreszeitraum. Das Emissionsvolumen stieg um 11 % auf insgesamt 106 Mrd. Dollar (siehe Grafik). Für die ersten drei Quartale ergibt sich somit eine Zahl von weltweit 1635 IPOs sowie ein Emissionsvolumen von 331 Mrd. Dollar.
Neben klassischen IPOs konnten wir 2021 global vermehrt Listing- Trends wie SPACs (Special Purpose Acquisition Company) oder Direct Listings beobachten. Besonders Unternehmen aus Zukunftsbranchen wie erneuerbare Energien und E-Mobilität haben die Chance genutzt und sind über eine SPAC beziehungsweise Mantelgesellschaft indirekt an die Börse gegangen. In Frankfurt konnten wir vier SPAC-Transaktionen begleiten: OboTech Acquisition, 468 SPAC I, Lakestar SPAC I und GFJ ESG Acquisition. Mit der Akquisition von HomeToGo durch Lakestar ist auch ein erster erfolgreicher Zusammenschluss gelungen.
Betrachtet man die Branchen weltweit genauer, erkennt man deutlich, dass in den Monaten Juli bis September vor allem Technologieunternehmen den Schritt an die Börse gewagt haben, wie EY zeigt: 26 %, also etwa jeder vierte Börsengang beziehungsweise 35 % des gesamten Emissionsvolumens entfielen auf diese Branche. Auf Platz zwei finden sich Unternehmen aus dem Bereich Healthcare mit 18 % aller Neuemissionen. Auch in Frankfurt beobachten wir einen Anstieg der Technologiewerte: ca. 60 % (Stand: 28. Oktober 2021) der IPOs kamen hier aus dem Bereich Technologie und E-Commerce, darunter auch die größten Transaktionen wie der Funkmasten Betreiber Vantage Towers, der im März 2,2 Mrd. Euro erlöste, der Online-Gebrauchtwagenhändler AUTO1 mit 1,8 Mrd. Euro im Februar und der Softwareanbieter SUSE mit knapp 1,1 Mrd. Euro im Mai. Damit sind mittlerweile rund 27 % aller gelisteten Unternehmen in Frankfurt der Tech- Branche zuzuordnen. Ein Blick auf die Investorenbasis verdeutlicht auch: 74 % der IPOs in Frankfurt waren 2021 (Stand: 28. Oktober 2021) durch Private Equity/Venture Capital getrieben. So ging der Investor EQT mit SUSE an die Börse, Argand Partners mit CHERRY und The Riverside Company mit BIKE24. Zudem scheint sich abzuzeichnen, dass auch in der Startup-Szene vermehrt nach Exit-Möglichkeiten gesucht und der Kapitalmarkt dabei zunehmend als attraktive Option in Betracht gezogen wird.
Am Aktienmarkt interessiert
Ein Trend dürfte sich auch in den Folgejahren fortsetzen: Die Berücksichtigung von ESG-Faktoren (ESG steht für Environment Social Governance) von Unternehmen – also einer robusten Nachhaltigkeitsstrategie und ESG-Transparenz – als entscheidender Teil der Börsenstory. Das gesteigerte Interesse an nachhaltigen Investments setzt eine Berücksichtigung fast schon voraus. Daher gilt es, ESG-Aspekte früh im Geschäftsmodell zu verankern und in Pre-IPO-Überlegungen einfließen zu lassen. Die Deutsche Börse hat mit der Akquisition von ISS und hier insbesondere durch die Zusammen-arbeit mit ISS Corporate Solutions ihr ESG-Serviceangebot für Börsenaspiranten deutlich ausgebaut. In jedem Fall bleibt ein nachhaltiger Kapitalmarkt auch in Zukunft essenziell für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland – gerade auch angesichts der aktuellen Herausforderungen in Bezug auf Energiewende, Digitalisierung und generationengerechtes Rentensystem. An dieser Stelle gibt es noch Optimierungsbedarf. Zu den Aufgaben der neuen Regierung sollte daher die Erleichterung der eigenkapitalbasierten Unternehmens- und Innovationsfinanzierung gehören, zum Beispiel durch eine kapitalmarktorientierte Reform des Unternehmensrechts und verbesserte Mobilisierungsmöglichkeiten von Kapital für innovative Start-up- Unternehmen.
Der deutsche Kapitalmarkt kann und muss durch flexiblere gesetzliche und regulatorische Rahmenbedingungen für Börsengänge weiter gestärkt werden, vor allem für kleine und mittlere Unternehmen. Auch eine bessere Teilhabe am wirtschaftlichen Erfolg – insbesondere für Privatinvestor*innen – ist gefragt, etwa durch die Beseitigung von Steuernachteilen für Aktionär*innen und die Stärkung des privaten Vermögensaufbaus und der privaten Altersvorsorge mit Aktien. Das Potenzial für die Transformation ist da – jetzt gilt es, dieses zu heben.
Der Artikel erschien zuerst in der Sonderbeilage "Eigenkapital" der Börsen-Zeitung vom 13.11.2021.