Compliance/Steuerrecht: Abgrenzung der Berichtigung einer Steuererklärung von einer Selbstanzeige

28. Juni 2019

Compliance/Steuerrecht: Abgrenzung der Berichtigung einer Steuererklärung von einer Selbstanzeige

Titel: Gregor Wenzel

Das innerbetriebliche Kontrollsystem zur Erfüllung steuerlicher Pflichten ist ein geeignetes Instrument zur Vermeidung straf- und bußgeldrechtlicher Sanktionen. 

Von Gregor Wenzel

Die Erledigung steuerlicher Pflichten ist ein Massengeschäft. Das beginnt mit der Erfassung tausender von Daten im Rahmen der Buchhaltung. Fehler sind hier vorprogrammiert. Diese Fehleranfälligkeit wird noch durch die Komplexität steuerlicher Vorschriften verstärkt. Kein Wunder also, dass im Nachhinein Fehler entdeckt werden, zumeist durch das Unternehmen selbst, teilweise durch den Abschlussprüfer, teilweise durch die steuerliche Betriebsprüfung. Es gibt also Berichtigungsbedarf, dem der Gesetzgeber mit der Möglichkeit einer sanktionslosen Berichtigung der fehlerhaften Angaben nach § 153 AO Rechnung getragen hat. Soweit so gut.

Seitdem die Teilselbstanzeige abgeschafft worden ist besteht allerdings die Gefahr, dass Fehler als leichtfertig oder gar als vorsätzlich angesehen werden, also eine Ordnungswidrigkeit oder gar eine Straftat darstellen. Der Weg über die Berichtigung nach § 153 AO ist dann versperrt. Die Grenzen zwischen Leichtfertigkeit und (bedingtem) Vorsatz sind fließend und werden von den Strafverfolgungsbehörden in Steuersachen eher restriktiv (im Zweifel gegen den Angeklagten) gewertet. Auch die partielle Wiedereinführung der Teilselbstanzeige bei Voranmeldungen hat daran nichts geändert, zumal sie die zugehörigen Jahreserklärungen nicht erfasst.

Wer also seiner Berichtigungspflicht nachkommen will, wird vielfach aus Sorge vor der unsicheren strafrechtlichen Wertung des Fehlers aus Vorsichtsgründen eine Berichtigungserklärung abgeben, die alle Kriterien einer Selbstanzeige nach § 371 AO erfüllt. Das ist zwar einerseits verständlich, gewährt es doch außerhalb der Sperrgründe (zunächst) umfassenden Schutz. Die Wirksamkeit der Selbstanzeige setzt aber zumindest für die betroffene Steuerart eine vollständige Aufarbeitung der vergangenen 10 Jahre voraus. Zudem hat der Berichtigende wegen des Vollständigkeitsgebots der Selbstanzeige nur einen Schuss frei. Findet sich später ein weiterer Fehler, was im Massengeschäft der Steuerpflichten nicht ungewöhnlich ist, ist die Wirksamkeit der Selbstanzeige dahin – sieht man einmal von den Fällen geringer Auswirkungen ab.

Die Möglichkeit der Berichtigung über § 153 AO sollte also nicht voreilig aufgegeben werden, auch wenn Strafverfolgungsbehörden eine Nacherklärung nach § 153 AO, die einfache Eingabe- oder Rechenfehler also fahrlässige Nicht- oder Falscherklärung in einer Steuererklärung korrigieren soll, rasch als Selbstanzeige bewerten. Die Finanzverwaltung zeigt im Anwendungserlass zu § 153 AO eine Möglichkeit auf, die Unsicherheit über die strafrechtliche Wertung des zu berichtigenden Fehlers zu vermindern. Hat der Steuerpflichtige ein innerbetriebliches Kontrollsystem eingerichtet, das der Erfüllung der steuerlichen Pflichten dient, kann dies ein Indiz darstellen, das gegen das Vorliegen eines Vorsatzes oder der Leichtfertigkeit sprechen kann, jedoch befreit dies nicht von einer Prüfung des jeweiligen Einzelfalls (Bundesministerium der Finanzen, Anwendungserlass zu § 153 AO vom 23.05.2016, Ziff. 2.6). Bei aller dem Legalitätsprinzip geschuldeten vorsichtigen Formulierung des Erlasses, ist es wert, diesem Hinweis des Erlasses nachzugehen.

Internes Kontrollsystem

Die richtige Ausgestaltung eines Tax Compliance Management Systems (kurz: TCMS) kann Verantwortliche von Unternehmen vor strafrechtlicher Inanspruchnahme schützen. Hierzu ist es notwendig, Strukturen im Unternehmen zu schaffen, die eine vollständige Umsetzung der steuerlichen Erklärungspflichten gewährleisten. Die sorgfältige Auswahl und Aufklärung der Mitarbeiter über Rechte und Pflichten, eine sachgerechte Aufgabenverteilung sowie Organisation der Arbeitsabläufe, gebührende Kontrollen zur Einhaltung der Pflichten und gegebenenfalls das Verhängen von Sanktionen, können gegen Vorsatz oder Leichtfertigkeit der Verantwortlichen sprechen und auf diese Weise Sanktionen gegen das Unternehmen selbst ausschließen.

Abhängig von der Größe, Art, Branche und dem Umfang eines Unternehmens, ist ein TCMS einzurichten. Dabei sind die Ziele in Steuerrichtlinien oder in einem Organisationshandbuch im Unternehmen zu definieren. Das IDW hat in einem Entwurf eines Praxishinweises 1/1016 die Compliance Management Systeme (kurz: CMS) wie folgt definiert: CMS „sind die auf der Grundlage der von den gesetzlichen Vertretern festgelegten Ziele eingeführten Grundsätze und Maßnahmen eines Unternehmens, die auf die Sicherstellung eines regelkonformen Verhaltens der gesetzlichen Vertreter und der Mitarbeiter des Unternehmens sowie gegebenenfalls von Dritten abzielen, das heißt auf die Einhaltung bestimmter Regeln und damit auf die Verhinderung von wesentlichen Verstößen (Regelverstößen)“. Somit muss sich in allen vom Unternehmen getroffenen Maßnahmen der Wille widerspiegeln, gesetzestreues Verhalten an den Tag zu legen. Die Leitungsebene muss sich klar zur Implementierung und Einhaltung von TCMS-Strukturen bekennen. Es müssen die Mitarbeiter geschult und sämtliche Maßnahmen umfassend und zeitnah dokumentiert werden, um für eventuelle spätere Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden nachvollziehbar zu sein. Je weniger sich ein Verantwortlicher über seine steuerlichen Pflichten und die sie umgebenden Verhältnisse informiert und je weniger Maßnahmen oder Strukturen zur Einhaltung steuerlicher Pflichten geschaffen werden und die Umsetzung nicht oder nur unzureichend überwacht wird, desto leichter wird von den Strafverfolgungsbehörden ein bedingter Vorsatz nach § 370 AO anzunehmen sein. Es sind die Schnittstellen, Verantwortliche und Rollen im Unternehmen festzulegen, sowie der Ablauf darzustellen, wie die Einhaltung der steuerlichen Pflichten des Unternehmens sicherzustellen ist.

Auch eine Form von TCMS ist die Ausschöpfung gesetzlicher Möglichkeiten, Auskünfte von Finanzbehörden zur Absicherung steuerlich zu würdigender Sachverhalte zu erhalten. Hier ist beispielsweise die verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO zu nennen, die vor Verwirklichung eines Sachverhaltes einem Unternehmen Rechtssicherheit verschaffen kann. In gleicher Weise ist die verbindliche Zusage nach § 204 AO zu nennen, die nach Abschluss einer Außenprüfung Sicherheit bezüglich der künftigen steuerrechtlichen Behandlung von verwirklichten und geprüften sowie im Prüfungsbericht dargestellten Sachverhalten gibt.

Ausblick

Ein eingerichtetes und gelebtes innerbetriebliches Kontrollsystem zur Erfüllung steuerlicher Pflichten kann die steuerstraf- und bußgeldrechtlichen Risiken für Unternehmen und ihre Organe sowie leitende Mitarbeiter in Steuerabteilungen deutlich vermindern. Erforderlich hierfür ist aber, dass regelmäßig eine entsprechende Dokumentation erfolgt, um den Nachweis für die Etablierung, Überwachung und Fortentwicklung des Systems erbringen zu können. Zwar befreit ein TCMS nicht von der Prüfung des jeweiligen Einzelfalls, es ist aber geeignet, etwas mehr Verlässlichkeit in den Graubereich zwischen Berichtigung nach § 153 AO und Selbstanzeige zu bringen.

Gregor Wenzel, Rechtsanwalt, Steuerberater, Partner, BTU Simon Rechtsanwalts- und Steuerberatungsgesellschaft mbH, München

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