Zukünftige Erleichterungen bei der Marktmissbrauchsverordnung für KMU-Wachstumsmärkte

24. Sep. 2018

Zukünftige Erleichterungen bei der Marktmissbrauchsverordnung für KMU-Wachstumsmärkte Von Ingo Wegerich, Partner der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH und Präsident des Interessenverbandes kapitalmarktorientierter KMU e.V. (Kapitalmarkt KMU)

Ingo Wegerich

Seit ihrem Inkrafttreten am 1. Juli 2016 ist die Marktmissbrauchsverordnung auf Freiverkehre erweitert worden. Auch Freiverkehrsemittenten sind damit allgemein verpflichtet, Insiderinformationen so bald wie möglich der Öffentlichkeit gegenüber offenzulegen. Sie müssen Insiderlisten führen und Eigengeschäfte von Führungskräften veröffentlichen.

KMU-Wachstumsmarkt

Bei der Marktmissbrauchsverordnung handelt es sich um eine sog. „Universalrichtlinie“. Nahezu alle ihre Anforderungen gelten gleichermaßen für alle Emittenten, und zwar unabhängig von ihrer Größe oder den Handelsplätzen. Gegenwärtig sieht die Marktmissbrauchsverordnung lediglich zwei begrenzte Erleichterungen für Emittenten vor, die an sog. KMU-Wachstumsmärkten notiert sind. KMU-Wachstumsmärkte stellen eine neue Kategorie von multilateralen Handelsplätzen (MTFs) dar, die im Januar 2018 eingeführt wurde (MTFs sind beispielsweise Freiverkehre). So dürfen an einem KMU-Wachstumsmarkt notierte Emittenten Insiderinformationen auf der Website des Handelsplatzes anzeigen (anstatt auf der Website des Emittenten) und müssen unter bestimmten Voraussetzungen Insiderverzeichnisse lediglich auf Anfrage der zuständigen nationalen Behörde erstellen.

Der Börsenträger kann einen Freiverkehr bei der Börsenaufsichtsbehörde als KMU-Wachstumsmarkt registrieren lassen (gleiches gilt für den Betreiber eines MTF, der seinen Antrag an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht richten muss), wenn bestimmte Anforderungen erfüllt sind. So müssen beispielsweise mindestens 50 % der Emittenten kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sein und der Börsenträger muss u. a. sicherstellen, dass eine geeignete regelmäßige Finanzberichterstattung durch den Emittenten am Markt stattfindet, insbesondere durch geprüfte Jahresberichte. In Deutschland ist derzeit kein KMU-Wachstumsmarkt registriert.

Am 28. November 2017 organisierte die Europäische Kommission einen technischen Workshop in Brüssel, bei dem etwa 30 Vertreter von Emittenten, Anlegern, Maklern und anderen Finanzintermediären zugegen waren. Der Verfasser des Artikels war der einzige Vertreter aus Deutschland. Gegenstand des Workshops war der Abbau regulatorischer Hürden für das Listing von KMU und damit insbesondere die Folgen der Marktmissbrauchsverordnung für die kleinen und mittleren Emittenten.

Vom 18. Dezember 2017 bis zum 26. Februar 2018 führte die Europäische Kommission in der Folge eine „öffentliche Konsultation über die Schaffung eines verhältnismäßigen Regulierungsrahmens zur Erleichterung von KMU-Notierungen“ durch. An dieser Konsultation nahm auch der Interessenverband Kapitalmarkt KMU als einer von wenigen Vertretern aus Deutschland teil.

Geplante Erleichterungen für KMU-Wachstumsmärkte von der Marktmissbrauchsverordnung

Vom 25. Mai 2018 bis zum 25. Juli 2018 konsultierte die Europäischen Kommission nun einen konkreten Vorschlag für eine Verordnung zur Förderung der Nutzung von KMU-Wachstumsmärkten. An dieser Konsultation beteiligte sich ebenfalls der Interessenverband Kapitalmarkt KMU.

Der neue Verordnungsentwurf sieht unter anderem die folgenden Erleichterungen für KMU-Wachstumsmärkte vor:

- Erleichterungen bei Directors‘ Dealings (Eigengeschäften von Führungskräften)

Hiernach soll der Emittent nach Erhalt der Meldung durch die Führungskraft oder die in enger Beziehung zu ihr stehende Person zwei weitere Geschäftstage Zeit haben, um die Meldung zu veröffentlichen (bisher liefen die Fristen parallel, so dass, wenn die meldepflichtige Person erst am dritten Tag nach dem Geschäft meldete, der Emittent unverzüglich, noch am selben Tag veröffentlichen musste)

- Beschränkung der Insiderliste auf permanente Insider

Hiernach ist keine Insiderliste mehr zu führen im Hinblick auf geschäftsspezifische oder ereignisbasierte Insiderinformation

- Erleichterungen bei der Aufschiebung von Insiderinformationen

- Befreiung verhandelter privater Platzierungen von Anleihen mit institutionellen Anlegern vom Marktsondierungssystem und von der unrechtmäßigen Offenlegung von Insiderinformationen, wenn ein alternatives Wall-Crossing-Verfahren gilt

- Schaffung eines vereinfachten „Transferprospektes“ für Emittenten an KMU-Wachstumsmärkten, die seit mindestens drei Jahren notiert sind, wenn sie eine Einstufung in geregelten Märkten wünschen

- Schaffung eines europäischen Systems für Liquiditätszufuhr-Verträge für Emittenten in KMU-Wachstumsmärkten


So sehr Erleichterungen für KMU von der Marktmissbrauchsverordnung zu begrüßen sind, finden sich auch kritische Töne zu dem Konzept der Europäischen Kommission für KMU-Wachstumsmärkte. Der Interessenverband Kapitalmarkt KMU hat sich mehrfach in Stellungnahmen auch kritisch zu dem Konzept für KMU-Wachstumsmärkte geäußert. Interessierte Leser finden die ausführlichen Stellungnahmen des Interessenverbandes unter http://www.kapitalmarkt-kmu.de/stellungnahmen/

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Informationen über den Interessenverband Kapitalmarkt KMU erhalten Sie auf seiner Webpräsenz: http://www.kapitalmarkt-kmu.de/

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