Shortlist des Deutsche Börse Photography Foundation Prize 2026 bekanntgegeben: Jane Evelyn Atwood, Weronika Gęsicka, Amak Mahmoodian und Rene Matić
Shortlist des Deutsche Börse Photography Foundation Prize 2026 bekanntgegeben: Jane Evelyn Atwood, Weronika Gęsicka, Amak Mahmoodian und Rene Matić
Die Deutsche Börse Photography Foundation und die Photographers‘ Gallery London haben heute die Shortlist für den Deutsche Börse Photography Foundation Prize 2026 bekanntgegeben: Die vier Finalist*innen sind Jane Evelyn Atwood, Weronika Gęsicka, Amak Mahmoodian und Rene Matić.
Der 1996 ins Leben gerufene Preis zeichnet Künstler*innen aus, die durch eine Ausstellung oder Publikation, die in den letzten 12 Monaten in Europa gezeigt oder veröffentlicht wurden, einen bedeutenden Beitrag zur Fotografie geleistet haben. In seiner langen Geschichte hat der Preis durch das Hervorheben herausragender, innovativer Arbeiten und die Würdigung des Werks führender internationaler Fotograf*innen großes Renommee erlangt.
Die für 2026 ausgewählten Arbeiten umfassen kollaborative Fotoprojekte, investigative Dokumentarfotografie, Installationen, Video- und Soundarbeiten sowie Werke experimenteller konzeptueller Fotografie. Themen wie Exil und Gedächtnis, Geschlechterungleichheiten und der Einsatz für Gleichstellung, Identität und Zugehörigkeit, Subkultur und Klasse in unserer Gegenwart sowie die sich verschiebenden Grenzen zwischen fotografischer Realität und Fiktion bestimmen die zum Nachdenken anregende, eindrucksvolle Shortlist.
Die Ausstellung ausgewählter Werke aus den Projekten der vier Künstler*innen wird vom 6. März bis 7. Juni 2026 in The Photographers’ Gallery, London zu sehen sein. Im Anschluss daran wird sie vom 3. September 2026 bis 17. Januar 2027 in der Deutsche Börse Photography Foundation in Eschborn/Frankfurt gezeigt.
Der*die Gewinner*in der mit 30.000 Britischen Pfund dotierten Auszeichnung wird im Rahmen einer Preisverleihung am Donnerstag, dem 14. Mai in der Photographers’ Gallery, London bekanntgegeben. Die anderen drei Finalist*innen erhalten jeweils ein Preisgeld von 5.000 Britischen Pfund.
Die Finalist*innen 2026 und ihre Projekte:
Jane Evelyn Atwood (* 1947, New York, USA) wurde für ihre Publikation „Too Much Time / Trop de Peines“ ausgewählt, eine 2024 bei Le Bec en l’air, Marseille neu aufgelegte und überarbeitete zweisprachige Ausgabe von zwei ursprünglich im Jahr 2000 veröffentlichten Werken.
Atwoods „Too Much Time / Trop de Peines“ geht auf eine sich über zehn Jahre erstreckende Untersuchung zurück, in der die Künstlerin während der 1990er Jahre inhaftierte Frauen in vierzig Gefängnissen in neun Ländern begleitet hat. Mittels intensiver Recherche und großer Empathie dokumentiert Atwood die Lebenswirklichkeit der Insassinnen: ihren beschränkten Zugang zu Hygieneeinrichtungen, den Mangel an gynäkologischer und psychischer Gesundheitsversorgung sowie die massiven Ungleichheiten im Vergleich zu männlichen Häftlingen. Die Intimität ihrer Schwarz-Weiß-Bilder beruht auf ihrem langjährigen Engagement und unerschütterlichen Einsatz für inhaftierte Frauen – ein Anliegen, für das sie sich bis heute einsetzt. Seit ihrer Erstveröffentlichung im Jahr 2000 hat Atwoods Botschaft noch an Dringlichkeit gewonnen: Die Zahl der Gefängnisinsassinnen ist seitdem weltweit um 50 bis 60 Prozent gestiegen. Getrieben von einer tiefen Hingabe für soziale Gerechtigkeit und dem Verlangen, Systeme der Ausgrenzung aufzudecken, gibt Atwood Leben und Geschichten Sichtbarkeit, die viele von uns lieber ausblenden.
Weronika Gęsicka (* 1984, Włocławek, Poland) wurde für ihre Publikation „Encyclopaedia“, herausgegeben im November 2024 von BLOW UP PRESS und Jednostka Gallery, ausgewählt.
„Encyclopaedia“ greift ein reales Phänomen auf: falsche Lexikoneinträge, die vorsätzlich in Enzyklopädien, Wörterbücher oder Lexika eingefügt werden. Ursprünglich wurden sie als eine Art Falle angelegt, um Verstöße gegen das Urheberrecht aufzudecken, oder als spielerische Möglichkeit für Redakteur*innen, ihre Spuren im Text zu hinterlassen. Diese erfundenen Informationen tragen auf subtile Weise dazu bei, unser Vertrauen in Quellen auszuhöhlen, die einmal als verbindlich galten. In „Encyclopaedia“ präsentiert Gęsicka Hunderte dieser gefälschten Begriffserklärungen, die alle aus historischen Publikationen stammen.
Indem sie manipulierte Stockfotos und KI-generierte Bilder einsetzt, interpretiert Gęsicka die falschen Einträge neu und unterstreicht auf diese Weise die Spannung zwischen Wahrheit und Erfindung ebenso wie die fragile Grenze zwischen Realität und Fiktion.
Wo KI-generierte Inhalte zur Norm geworden sind und Bilder problemlos abgeändert werden können, wird die Frage virulent, was geschieht, wenn auch nur ein einziger Fehler in einer Quelle auftritt, der wir vertrauen. In einer Zeit, die von Fehlinformationen und Manipulation geprägt ist, erinnert das Werk so auf humorvolle Weise daran, dass Wissen, das einst als gefestigt und objektiv galt, heute ein durchaus unsicheres Terrain ist.
Amak Mahmoodian (* 1980, Shiraz, Iran) wurde für die Ausstellung „One Hundred and Twenty Minutes“ beim Bristol Photo Festival, UK (16. Oktober bis 17. November 2024) ausgewählt.
Mit Fotografien, Gedichten, Texten, Zeichnungen und Videos erforscht die Künstlerin emotionale und seelische Landschaften im Exil: Wie sich in Träumen neue Lebensentwürfe formen und die Vergangenheit unablässig in die Gegenwart drängt. Sechs Jahre lang arbeitete Mahmoodian eng mit 16 Mitwirkenden aus 14 Ländern zusammen. Ihre über die Jahre geführten Gespräche konzentrierten sich auf immer wiederkehrende Träume und die Auswirkungen des Exils auf Erinnerung und Identität.
Mahmoodian begann ihre Karriere als multidisziplinäre Künstlerin und Erzieherin im Iran; seit 2010 lebt sie in Großbritannien, da es ihr verwehrt ist, in ihre Heimat zurückzukehren. Träume bilden für sie ein lebenswichtiges, zwischen Realität und Fantasie changierendes Band zu ihrer verlorenen Heimat und Familie. In „One Hundred and Twenty Minutes“ – so lange ungefähr träumen Kinder und Erwachsene jede Nacht – verleiht Mahmoodian den Träumen ihrer Mitwirkenden eine visuelle, poetische Form. Diese Momente laden uns zu einer eindringlichen Erfahrung des geteilten Träumens ein. In einer Zeit, in der Migrant*innen und vertriebene Gemeinschaften aufgrund ideologischer Verschiebungen weiter marginalisiert werden, stellt sich Mahmoodian eine Welt ohne Grenzen vor, in der gemeinsame Träume Brücken über Geografie, Politik und Zeit hinweg schlagen.
Rene Matić (* 1997, Peterborough, UK) wurde für die Ausstellung „AS OPPOSED TO THE TRUTH“ an der CCA Berlin, Deutschland (8. November 2024 bis 15. Februar 2025) ausgewählt.
In Form von neu produzierten Fotografien, Installationen und Klangstücken befasst sich das Projekt „AS OPPOSED TO THE TRUTH“ mit Identität und Zugehörigkeit, Subkultur, Klasse und Familie. Tagebuchartige Schnappschüsse fangen alltägliche Momente mit intimer Poesie ein. Kombiniert mit gesammelten Gegenständen, Filmen und Tonaufnahmen fügen sich die Bilder zu einem lebendigen und vielschichtigen Portrait zeitgenössischen Lebens zusammen.
Matićs künstlerische Praktiken, die sich über Fotografie, Film und Skulptur erstrecken, treffen in einem Punkt zusammen, den Matić als „rude(ness)“ [Ungezogen(heit)] bezeichnet – eine Evidenz und zugleich Würdigung des Dazwischen. In einem Klima des zunehmenden Rechtspopulismus und rein performativen Mitgefühls wendet sich Matić zwischenmenschlichen Beziehungen als Orte des Widerstands und der Sorge zu, der Art und Weise, wie Menschen füreinander einstehen und lernen, mit Verletzlichkeit zu leben – trotz oder gerade wegen der sogenannten „Wahrheiten“ unserer Zeit. Intimität, Verletzlichkeit und Begehren werden für Matić zu Werkzeugen des Überlebens.
Die Jury 2026 und ihre Begründungen:
Dies diesjährige Jury setzt sich zusammen aus: Elisa Medde (Direktorin der Foto Colectania Foundation in Barcelona, Spanien; vormalige Chefredakteurin des Foam Magazine), Newsha Tavakolian (Fotografin und Mitglied bei Magnum Photos), Mark Sealy OBE (Geschäftsführender Direktor von Autograph ABP), Anne-Marie Beckmann (Deutsche Börse Photography Foundation) und Shoair Mavlian (The Photographers’ Gallery) als stimmberechtigte Vorsitzende.
Shoair Mavlian, Direktorin der Photographers’ Gallery:
„Die Shortlist für den Deutsche Börse Photography Foundation Prize 2026 zeigt die zentralen Themen auf, mit denen sich Fotograf*innen heute beschäftigen. Ganz gleich, ob ihre Arbeiten in Form einer Publikation oder einer Ausstellung präsentiert wurden – alle Künstler*innen der Shortlist laden uns ein, neu darüber nachzudenken, wie und von wem Geschichten erzählt werden. Wir freuen uns darauf, ihre Arbeiten 2026 in London zu zeigen.“
Anne-Marie Beckmann, Direktorin der Deutsche Börse Photography Foundation:
„Die diesjährige Shortlist ist ein eindrucksvolles Zeugnis für die anhaltende Fähigkeit der Fotografie, unsere gemeinsamen sozialen und gesellschaftlichen Umstände zu erkunden. Sie feiert die Vielseitigkeit und das Vermögen der Fotografie, die Welt nicht nur zu dokumentieren, sondern zugleich die Art, wie wir sie wahrnehmen, in Frage zu stellen. Gleichzeitig verleiht sie Themen und Gemeinschaften Bedeutung, die ansonsten oft übersehen werden. Es ist inspirierend, die wegweisenden Arbeiten der ausgewählten Künstler*innen erleben zu dürfen. Herzlichen Glückwunsch an alle für ihre außergewöhnlichen Beiträge!“
Anmerkung für die Redaktion:
Hier finden Sie eine Übersicht der Pressebilder. Gerne senden wir Ihnen auf Anfrage die Bilder in druckfähiger Qualität zu.
Kontakt für die Medien:
Deutsche Börse Photography Foundation
media.foundation@deutsche-boerse.com
Tel. +49 69 21117014
The Photographers’ Gallery
Robyn Deane
robyn@margaretlondon.com
Alex Finch
alex@margaretlondon.com
Über die Deutsche Börse Photography Foundation
Die Deutsche Börse Photography Foundation ist eine gemeinnützige Stiftung mit Sitz in Frankfurt am Main, die sich dem Sammeln, Ausstellen und Fördern von zeitgenössischer Fotografie widmet. Sie verantwortet die Weiterentwicklung und Präsentation der Art Collection Deutsche Börse, die mittlerweile über 2.400 fotografische Arbeiten von rund 170 Künstler*innen aus 38 Nationen umfasst. Auf ihren Ausstellungsflächen in Eschborn bei Frankfurt am Main zeigt sie mehrere Ausstellungen pro Jahr, die öffentlich zugänglich sind. Die Unterstützung junger Künstler*innen ist der Stiftung ein besonderes Anliegen, sie fördert sie auf vielfältige Weise: mit Auszeichnungen, Stipendien oder durch die Beteiligung am Talent-Programm des Fotografiemuseum Amsterdam Foam. Des Weiteren unterstützt die Stiftung Ausstellungsprojekte internationaler Museen und Institutionen sowie den Ausbau von Plattformen für den wissenschaftlichen Dialog über das Medium Fotografie.
www.deutscheboersephotographyfoundation.org
Über The Photographers’ Gallery
The Photographer’s Gallery untersucht, wie die Fotografie unsere heutige Welt verbindet, erobert und radikal verwandelt. Das Programm und die Räumlichkeiten – von den Ausstellungen, Vorträgen, Workshops und digitalen Angeboten bis zu den Galerien, dem Museumsshop und dem Café – befassen sich mit der Schönheit, Vielschichtigkeit und Zukunft der Fotografie. Unmittelbar vor der Gallery wird kostenfrei und rund um die Uhr das Beste der zeitgenössischen Fotografie im Soho Photography Quarter präsentiert.
www.tpg.org.uk
Über die Geschichte des Deutsche Börse Photography Foundation Prize
Der 1996 von der Photographers’ Gallery ins Leben gerufene Preis hat sich im Laufe von 30 Jahren zu einem der renommiertesten internationalen Kunstpreise entwickelt und in dieser Zeit die Karrieren zahlreicher Fotograf*innen begründet und gefördert. Der Preis, der früher unter dem Namen Citigroup Photography Prize bekannt war, wird seit 2005 zusammen mit der Deutsche Börse Group verliehen. Im Jahr 2016 wurde er in Deutsche Börse Photography Foundation Prize umbenannt, nachdem die Stiftung, die sich der Sammlung, Ausstellung und Förderung zeitgenössischer Fotografie widmet, als gemeinnützige Organisation gegründet wurde. Die Gewinnerin des Deutsche Börse Photography Foundation Prize 2025 war Lindokuhle Sobekwa für seine publication „I carry Her photo with Me“ (herausgegeben von MACK in 2024). Zu den bisherigen Preisträger*innen gehören: Lebohang Kganye, Samuel Fosso, Deana Lawson, Mohamed Bourouissa, Susan Meiselas, Luke Willis Thompson, Dana Lixenberg, Trevor Paglen, Juergen Teller, Rineke Dijkstra, Richard Billingham, John Stezaker und Adam Broomberg & Oliver Chanarin.